Ernst Georg Baumgarten

(1837–1884)

 

Zu den grundlegenden Aufgaben eines königlich-sächsischen Oberförsters gehörten die von Baumgarten realisierten Entwicklungen zur lenkbaren Luftschifffahrt definitiv nicht. Durch sie wurden aber wichtige Grundlagen für die erfolgreichen Luftschiffe des 20. Jahrhunderts geschaffen. Geboren wurde Baumgarten in Johanngeorgenstadt. Nach dem Abitur an der Dresdener Dreikönigsschule studierte er Forstwirtschaft in Tharandt. 1870 wurde Baumgarten als Oberförster des Rabensteiner Reviers bestellt und bezog 1872 seine Dienstwohnung in der Oberförsterei im heutigen Chemnitzer Ortsteil Grüna. In dieser Oberförsterei entstanden mit Unterstützung von Grünaer Handwerkern nacheinander mehrere Modelle, wobei schon das dritte Exemplar mit 10,5 m Länge und 3 m Durchmesser als erstes gelungenes Funktionsmodell gilt. Es schwebte 2 m über dem Boden, wurde über Federwerke mit 2 × 0,5 PS je Flügel an beiden Seiten einer Gondel angetrieben und kam ohne Ballast- und Gasabgaben aus. Im Jahr 1876 erfolgte ein Hallenbau in Rabenstein am Schwarzen Teich (Stausee), wo Baumgarten den für den Auftrieb seiner Gasballonhüllen notwendigen Wasserstoff selbst erzeugte. 1877 erschien in Wien Baumgartens Büchlein „Das lenkbare Flügel-Luftschiff, der Flug-Apparat, die Vertikal-Erhebungsmaschine und der Luftverdünnungszylinder-Fortbewegungs-Apparat“. Bis 1882 folgten 12 Patentanmeldungen in Deutschland, Belgien, Frankreich und England. Technisch maßgebend war hier die Patentschrift 9137 des Kaiserlichen Patentamtes in Berlin „Flügelluftschiff mit Lenkvorrichtung“. Mit Hilfe des Gastwirts Franz Keil entstand auf dem Gelände des heutigen Forsthauses Grüna eine Montage- und Lagerhalle. Am 1.7.1879 wurden mit einem 20 m langen, noch unbemannten Modell öffentlich alle Funktionen von Tragkraft, Auf- und Abstieg, Antrieb und Lenkung u.a. auf dem Wiesengelände der heutigen Baumgartenstraße nachgewiesen und protokolliert. Über Baumgartens zweitem Hobby, der Kurzschrift, lernte er 1879 den vermögenden und technisch interessierten Leipziger Buchhändler Dr. Wölfert kennen. Nach Vertragsabschluss erfolgte 1880 in Leipzig der gemeinsame Bau eines 26 m langen Luftschiffes mit 3 Gondeln und per Hand angetriebenen „Flügelschrauben“. Nach ersten Tests wurde es auf 40 m verlängert. Am 28.3.1880 erfolgte hiermit ein erster bemannter Aufstieg in Leipzig, welcher mit einem für Baumgarten gesundheitlich folgenlosem Unfall endete. Im Februar 1880 erhielt Baumgarten von seiner vorgesetzten Behörde eine Rüge wegen seiner ausgedehnten „Nebentätigkeit“; im Mai verbot sie ihm dann bei Entlassungsandrohung weitere Versuche. Die Entwicklungsarbeiten und Aufstiegsversuche wurden nun verstärkt unter Wölferts Namen fortgesetzt. Baumgarten erkrankte zwischenzeitlich und wohnte einige Monate in Siegmar bis er nach Zwangseinweisung im Alter von nur 47 Jahren im Zschadraßer Krankenhaus verstarb. Mit seinen Erfindungen zum Antrieb und Steuerung durch Luftschrauben und sogenannten Wendeflügeln sowie zur Übertragung der Antriebskräfte von der starr mittels Innenaufhängung an den Ballon angebrachten Gondel hatte Baumgarten entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung der bemannten Luftschifffahrt genommen. Recht hatte Baumgarten mit seiner Vision: „Was ich jetzt im Kopf habe, wird in 50 bis 60 Jahren mal was sein, was die Welt bestaunen wird.“ Zu Baumgarten gibt es eine Dauerausstellung im Chemnitzer Ortsteil Grüna.