Eduard Leopold Beyer

(1825 – 1907)

Eduard Leopold Beyer Werbung Schulklasse

In seinem Federmäppchen fanden sich noch Federn. Dem Abc-Schützen Eduard spielten sie Streiche wie dem alten Geheimrat Goethe: „Die Tinte macht uns wohl gelehrt / Doch ärgert sie, wo sie nicht hingehört. / Geschrieben Wort ist Perlen gleich; / Ein Tintenklecks ein böser Streich.“ Schon vor mehr als 5000 Jahren kannten die Ägypter so was wie Tinte. Die war besser als das Gemisch, das im 19. Jahrhundert die Pedell-Gattinnen als Schultinte anrührten, mit der die Schüler über das „tintenklecksenden Säkulum“ des „Räuber“-Dichters Schiller Aufsatzhefte und Finger vollklecksten. Gute Tinte war Luxus. Sie wurde aus Frankreich oder England importiert.

Das ließ dem Erzgebirgs-Tüftler Beyer, der nach Besuch der Fürstenschule St. Afra in Meißen zum Apotheker ausgebildet worden war, keine Ruhe. Er studierte noch Chemie und übernahm die Löwenapotheke in Chemnitz. Und wurde der weltberühmte Tinten-Beyer. Unterschätzt mir die Apotheker nicht in ihrer Bedeutung für die industrielle Entwicklung! Bertha Benz nutzte eine Apotheke als Tankstelle für die erste Fernfahrt der Welt mit einem Automobil. Und die großen Chemnitzer Industriellen brauchten den Tinten-Beyer, damit ihre Konstruktionspläne nicht verblasst waren, ehe die Maschine stand. Beyers Tinten aus mittelamerikanischem Blauholzextrakt waren nicht nur schön „veilchenblauschwarz“, sondern auch dokumentenecht, was nicht nur die Augen der immer kurzsichtiger werdenden Zeichner und Schulprofessoren schonte, sondern im schon damals bürokratieverrückten Deutschland von großer Bedeutung war. Wo ist schon per Gesetz geregelt, wer im Staat mit welcher Tintenfarbe unterschreiben darf? Das regelten schon die Preußen. Und später auch die DDR-Oberen (grün für ganz oben, blau für den Hauptabteilungsleiter).

Beyer war ein begnadeter Chemiker, aber auch ein Verkaufsfuchs.  Er erkannte, was eine Marke ist, ehe es den Begriff gab. Seine Tinte sollte überall, in immer gleicher Qualität, erhältlich sein. Dazu musste sie erkannt werden – zum Beispiel an der Flasche (wie später Coca-Cola oder Odol). Er zog auf Weltausstellungen, machte Plakat- und Zeitungswerbung und gewann die Schüler mit Sammelbildchen. Längst war aus der Apotheke eine große Fabrik geworden, die mehr als 80 Produkte für die ganze Welt herstellte – von der Tinte bis zu Schreibmaschinenbändern. Womöglich auch für die „Continental“ der Chemnitzer Wanderer-Werke. Aber da war schon Schwiegersohn Theodor Körner im Beyerschen Tintenweltreich am Ruder. Beyer selbst hatte sich, lungenkrank, nach San Remo zurückgezogen.

Beyer-Tinten gibt es nicht mehr. Aber in der Beyer-Straße grüßen noch heute Beyers Villa „Quisisana“ und gegenüber die Villa Körner. Bei beiden hatte Esche-Architekt van de Velde die Hände im Spiel. Kein Wunder. Die Chemnitzer Weltproduzenten Esche und Beyer kannten sich gut. Und zwei Körner-Töchter hatten zwei Esche-Brüder geheiratet. - In Federmäppchen sind heute, wenn überhaupt, noch Füllfederhalter. Tintenstrahldrucker sind wichtiger geworden.

Eduard Leopold Beyer Tinten-Beyer Porträt