Herbert Eugen Esche

(1874–1962)

„Gloria“ und „Nirwana“ hießen die Labels der „feine(n) Flor- u. kunstseidene(n) Damen-Strümpfe“ aus der bis ins 17. Jahrhundert zurückreichenden Chemnitzer Strumpfwarenfabrik „Moritz Samuel Esche“, die ab 1902 Herbert Eugen Esche zusammen mit seinem Bruder Fritz Eugen leitete. Als selbst die junge Scarlett O’Hara („Vom Winde verweht“) unter den weiten Reifröcken noch selbstgestrickte Socken trug, schwebte die vornehme europäische Damenwelt längst auf Chemnitzer Fein-Strümpfen. 75 Prozent der Produktion aus Esches Fabrik gingen in den Export – immer mehr nach Amerika.

Aber nicht wegen „Gloria“ ist Herbert Eugen Esche heute jedem Kind in Chemnitz bekannt, sondern wegen seiner Villa. Sie ist der erste Bau der Moderne in Deutschland, entstanden 1902/3 im „Neuen Stil“, später Jugendstil genannt, als auf dem Kaßberg noch Gründerzeit angesagt war. Architekt war der belgische No-name-Designer Henry van de Velde. Die von ihm entworfenen Möbel hatten Esche und seine spätere Frau Johanna (aus der Tintenfabrikantendynastie Körner) in einer Münchner Zeitschrift gesehen und für die erste eigene Wohnung auf dem Kaßberg bestellt. Jugendstilmöbel im Gründerzeithaus – als Esche die Firma übernahm, machte er Nägel mit Köpfen. Van de Velde bekam „plein pouvoir“, wie es damals hieß, auf deutsch etwa: Geld spielt keine Rolle. Van de Velde entwarf ein Gesamtkunstwerk von Wohnhaus und Garten, vom Teelöffel bis zu den Gewändern der Gemahlin und dem Esche-Signet im schmiedeeisernen Zaun.

Dass nach dem Krieg sowjetische Kommandantur und Stasi darin hausten, sieht heute niemand mehr. Das Stein gewordene Symbol der Moderne glänzt heute wieder wie damals, als Edvard Munch den Chemnitzer Weltbürger und dessen Familie porträtierte – ihm und sich Glanz und Gloria einer neuen Zeit verleihend.