Johann Samuel Schwalbe
(1778–1845)
Der Mann war Zimmermann. Aber 1811 bereits gründete er eine Werkstatt zum Bau von Spinnereimaschinen. Doppelt bemerkenswert: Wir denken immer, die Industrialisierung finge Mitte des 19. Jahrhunderts an. So haben wir’s in der Schule gelernt. 1811 liegt sooo weit zurück. Da hat Beethoven sein 5. Klavierkonzert geschrieben, Goethe „Dichtung und Wahrheit“ veröffentlicht. Die Herren schrieben mit Tinte und Feder, bei flackerndem Kerzenlicht. Gute alte Zeit? Sie kommt erst. In Chemnitz fängt einer an, Maschinen zu bauen, weil’s mit ihnen schneller geht als von Hand. Nicht nur das Schreiben.
Und noch ein Irrtum: Wenn wir von Maschinen sprechen, denken wir meist an schweres Gerät aus Metall. Stimmt nicht. Die ersten Maschinen, auch die von Johann Samuel Schwalbe, waren aus Holz! Und wie man damit umgeht, wusste der Zimmermann…
Der Sohn eines Apothekers aus Brand-Erbisdorf, war auf der Wanderschaft im nahen Chemnitz hängen geblieben. Am 19. April 1811 erhielt er das Bürgerrecht der Stadt. Das nahm er sich denn auch gleich. Nicht zum Feiern. Am selben Tag noch macht er seine eigene Werkstatt auf. Sie ist die Keimzelle des Chemnitzer Maschinenbaus. Und die Geburtsstunde des „sächsischen Manchester“.
Erst ein paar Jahre vorher (1776) war bei einem gewissen Adam Smith - dem später „Vater der Nationalökonomie“ genannten Schotten - der Begriff „Arbeitsteilung“ aufgetaucht. Bisher hatten die Fabriken - in Chemnitz etwa die Baumwollspinnereien - ihre Maschinen selbst gebaut, erst recht, seit Napoleon mit seiner Kontinentalsperre die Einfuhr englischer Maschinen blockiert hatte. Die Spinnereien konnten spinnen, aber Maschinenbau war eigentlich nicht so ihr Ding. Jetzt baute ihnen einer, der dieses Metier beherrschte wie sie das Spinnen, die optimalen Maschinen. Und beide waren glücklich.
Schwalbe blickte weit voraus. Ohne ihn hätte es vielleicht die Haubolds und Hartmanns in Chemnitz nicht gegeben. Die Nachfolger Schwalbes arbeiteten natürlich mit Metall, das sie sich - konsequente Arbeitsteilung - zuliefern ließen. Und stellten auch Kessel her. Als man davon mal zu viel hatte, gründeten sie kurzerhand das „Einsiedler Brauhaus“. Ab und an schmückt dessen Etiketten noch der Einsiedler mit der „Schwalbe“ auf der Hand…
Heute führt sich die Chemieanlagenbau Chemnitz GmbH (CAC), ein international tätiges Unternehmen für Anlagenbau und Verfahrenstechnik, auf „J.S.Schwalbe & Sohn“ zurück. Am 1. April 2004 wurde nach vielen Ups and Downs in Krieg, DDR und Treuhandwendewirren durch ein Management-Buyout wieder ein Familienunternehmen etabliert, wie 200 Jahre zuvor von Johann Samuel Schwalbe und dessen Sohn Franz Louis. Die Schwalbes von heute sind Joachim Engelmann und Sohn Jörg.