Louis Schönherr

(1817–1911)

Auch Erfolgsgeschichten spielen in einer Zeit, die für manche sehr hässlich sein kann. In den 4oer Jahren des 19. Jahrhunderts herrschte in Sachsen wegen mehrerer Missernten Hungersnot. Viele Sachsen wanderten nach Amerika aus. Wer blieb, wusste kaum, wie er seine Familie durchbringen sollte. Die zahlreichen Hausweber traf es besonders hart. Karl May, geboren 1842 in einen dieser Weberhaushalte, schrieb später oft ein garstig Lied davon. Und Gerhart Hauptmanns „Weber“, obwohl erst 1892 veröffentlicht, spielen in diesen 40er-Jahren. Bei beiden sind die Weber die „Guten“.

Einer der „Bösen“, ein Arbeitwegnehmer, wäre Louis Schönherr gewesen. Er hat in diesen 40er-Jahren schon Webmaschinen gebaut, hat mit seinem Bruder Wilhelm den mechanischen Tuchwebstuhl (für das feine Tuch der Anzüge der hohen Herren) erfunden, ihn erst in Hartmanns, ab 1851 in der eigenen Firma weiterentwickelt, dass auch Muster maschinell gewebt werden konnten, hat konstruiert und verfeinert. Patente um Patente angehäuft.

Seine Webstühle waren die besten in der ganzen Welt: mehr als 18.000 Maschinen waren in Schönherrs Unternehmen bis 1871 schon gebaut und gegen gutes Geld (umgerechnet mehr als eine halbe Milliarde Euro) überall hin verkauft worden. 1872 wandelte Schönherr seine Fabrik, mittlerweile nach Hartmann die zweitgrößte in Chemnitz, in eine Aktiengesellschaft („Sächsische Webstuhlfabrik“) um, machte seine Söhne zu Direktoren, setzte sich auf den Aufsichtsrats-Chefsessel und zog sich, schwerreich, ins Vogtland zurück. Und genoss den Ruhestand noch 33 Jahre.

Dort im Vogtland war er auf die Welt gekommen. In einer dieser kinderreichen, bettelarmen Weberfamilien. Und was hat dieser Mann dann für einen Weg gemacht: Als er seinen ersten armseligen Job aushäusig annahm, war er zwölf. Da hatte er schon Weber gelernt. Als Kind. Die Hausweberei war nicht die Zukunft, zumindest seine nicht. Das wusste schon der kleine Mann. Er lernte Theorie (in Dresden), Praxis in Chemnitzer Vorzeigefabriken, zwei Jahre auch im damals industriell führenden England, kam zurück und machte (auch unternehmerisch) alles besser als alle Konkurrenten. Hunderten von Mitarbeitern, auch Hauswebern, gab er Arbeit – und Hoffnung.

Die Schönherr-Fabrik und Trompetter-Guss künden noch heute von dem großen Mann, der mit weitem Blick eine obsolet gewordene Branche in die Zukunft geführt hat. Auf der ICE-Lok braucht man keinen Heizer. Und die noch vor wenigen Jahren als arbeitsplatzfressende digitale Welt boomt arbeitsplatzschaffend. Schönherr-Webstühle werden noch immer gebaut. Ausgerüstet mit hochmoderner Elektronik.