Karl Clauss Dietel

(1934–2022)

 
 

Dietel war einer der bedeutendsten deutschen Formgestalter der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Den „modischen“ Ausdruck Designer lehnte er ab. Am 10. Oktober 1934 in Reinholdshain bei Glauchau geboren, blieben ihm im DDR-Staat als Sohn eines kleinen Unternehmers Abitur und Architekturstudium verwehrt. Also Umwege gehen – Lehre als Maschinenschlosser, Ingenieurstudium der Kraftfahrzeugtechnik in Zwickau. Sein Talent für Gestaltung führte ihn zum zweiten Studium an die Kunsthochschule nach Berlin-Weißensee.

Bereits in der Diplomarbeit kritisierte er die DDR-Fahrzeuge als nicht wirklich gestaltet, aber auch das verkaufsfördernde „Verfallsdatum“ westlicher Produkte. Schon im Studium knüpfte er Kontakte zur Industrie, war 1962 mit Lutz Rudolph Gestalter des Wartburg 353. Beide verband eine jahrzehntelange Partnerschaft. 1964 wagte er den Sprung in die Selbstständigkeit.

Dem Fahrzeugbau blieb er ein Leben lang verbunden. Zahlreiche Entwürfe u.a. für weiter entwickelte PKW-Trabant, einer ähnelte mit den Steilheck verblüffend dem späteren VW Golf, für LKW und Busse entstanden. Meist für den „Papierkorb“, die bornierte Politbürokratie war daran nicht interessiert. Durchschlagenden Erfolg hatten dagegen die Mokick Modelle S 50/51 von Simson Suhl, noch heute Kult in Ost und West. An ihnen setzte Dietel sein „Offenes Prinzip“ um. Diese gestalterische Trennung der einzelnen Baugruppen hat ästhetische, praktische und ökologische Gründe. Sie ermöglicht, problemlos zu reparieren, umzubauen und anzubauen. Das war nicht nur unter der damaligen Mangelwirtschaft vernünftig, sondern ist noch heute nachhaltig und vorbildlich.

Sein Lebenswerk ist umfangreich und vielseitig, die Aufzählung der oft zusammen mit Partnern gestalteten Arbeiten ist lang: z. B. das Rundfunkgerät „Heliradio“, die Schreibmaschinenserie „Erika“, EDV-Anlagen von Robotron, CNC-Steuerungen, Diamant-Flachrundstrickmaschinen. Auch Architekturbezogenes stammt von ihm: u.a. die Farbbügel an der Schmidtbank-Passage mit benachbarter Verkaufspavillongruppe, der Raum der Stille in den Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz, das Farbkonzept für dieses Krankenhaus und das des Kino Metropol, die Plastik „Wandel“ vor dem Industriemuseum, das Grabmal für die Bauhauslegende Marianne Brandt, die „Denk-mal!“ Platten für den Walk of Fame „Große Chemnitzer“ im Wallweg am Roten Turm.

Er mischte sich ein, nutze dazu seine Positionen als Professor und Direktor der Fachschule für Angewandte Kunst in Schneeberg, als Mitglied des Verbandes Bildender Künstler der DDR, als dessen Vizepräsident und späterer Präsident, als Mitglied der SED. Er stand für die Einheit der freien Kunst und der Kunstgestaltung. Freundschaften und Kooperationen mit zahlreichen auch gesellschaftskritischen Künstlern der Region sprechen für sich. Die Staatssicherheit legte einen operativen Vorgang an.

Erschwerten die Arbeit in der DDR Mangel und Repressionen, so war es nach der Wende die Abwertung der Leistungen der ostdeutschen Formgestaltung. Er verstummte nicht, blieb aktiv, immer kritisch, ließ sich nicht vereinnahmen.

Die Liste der zahlreichen Ehrungen komplettierte 2014 die Verleihung des Bundesdesignpreises, eine Anerkennung auch der ostdeutschen Formgestaltung. Als er im Januar 2022 verstarb würdigten alle großen Medien des Landes sein Lebenswerk.