Richard Möbius
(1859–1945)
Die Chemnitzer Bürger fühlten sich nicht mehr wohl. Am Ende des deutsch-französischen Krieges 1871 hatte die Stadt gerade mal 68.000 Einwohner gehabt. Und viele Fabriken, die manchen Wohlstand, fast allen aber Arbeit schufen. Aber die Stadt wuchs und wuchs. Ende 1900 drängten sich schon fast 207.000 Menschen in Chemnitz. An allen Ecken und Enden wurde gebaut. Fabriken, Wohnblocks, Villen. Viel mehr Schlote gab’s als Kirchtürme. Aber Schulen? Ein ordentliches Rathaus? Ein zweckmäßiges Feuerwehr-Gebäude? Oder gar etwas für’s Gemüt und die Seele? Ein Museum vielleicht oder gar endlich ein schönes Theater? Der Stadt ein Gesicht geben?
Das war zu viel für den alten (seit 1880 wirkenden) Stadtbaurat Eduard Hechler. Er durfte sich auf den Tiefbau zurückziehen - den öffentlichen Hochbau vertrauten die Stadtväter 1900 einem Jüngeren an.
Richard Möbius, in Dresden ausgebildeter Architekt mit Erfahrungen als Stadtbaumeister in Zwickau, übernahm die gigantische Aufgabe. Der Stadtbaurat war kein verwaltender Bürohengst, er stand mehr vor dem Zeichenbrett, gestaltete und arbeitete selbst als Architekt.
17 Schulbauten entstanden unter seiner 25-jährigen Ägide (heute bauen wir zurück!), er baute die Hauptfeuerwache (1905), das Museum und die Oper (1909) und das neue Rathaus (1911). Was die Fassaden angeht, konnte sich der König Friedrich August III. nicht beschweren, als er zur Einweihung des Museums nach Chemnitz kam. Da war Möbius so solide historisierend wie der Roland da steht, den er am Eck seines „neuen“ Rathauses platzierte. Massiv, würdevoll, ohne jeden Firlefanz.
Was die Architektur von Möbius so interessant macht, ist, dass sie die Aufbruchsstimmung der Bevölkerung aufnahm. Man hatte Wichtigeres zu tun als wilhelminischen Prunk darzustellen. Statt Pracht suchte man - wie in den Industrie-Unternehmen - die Funktionalität. Und die Form folgte ihr, sollte es zumindest. Forderten später die Bauhäusler. Interessant vor allem, was Möbius mit den Schulen anstellte. Früher waren die höheren Lehranstalten protziger gebaut, vor allem die Fassaden, die Grundschulen eher wie Bruchbuden fürs niedere Volk. Unter Möbius stand nun im Vordergrund, dass alle Schüler in der aufstrebenden Stadt auch bestens gebildet werden könnten. (Gute Fachkräfte mussten her… Kennen wir irgendwie). Also wurde jede Schule strikt danach gebaut, was der Standort hergab. Sie musste große Fenster haben und dorthin ausgerichtet sein, wo möglichst viel Licht in die Klassenzimmer fiel. Mit den dunklen Fluren der Penne in der „Feuerzangenbowle“ hatten sie nichts mehr zu tun…